Schon kleine Kinder wissen, dass das Fahrrad mit viel Luft auf den Reifen leichter rollt und dennoch müssen wir fast täglich Kunden auf einen zu niedrigen Luftdruck der Bereifung ihres Velos hinweisen. Wenn es nur die erhöhte Anstrengung wäre, so könnte man es noch als Training verbuchen, aber leider verschleissen Reifen und Schläuche deutlich schneller mit zu niedrigem Luftdruck, weil das Gummi durch die vermehrte Walkarbeit ermüdet.
Zum Glück steht auf jedem Reifen auch der minimale sowie maximale Luftdruck in Bar oder PSI. Bei Touren- und Trekkingrädern, die viel im Alltag überwiegend auf Asphalt bewegt werden, sollte man sich an der oberen Grenze der Luftdruckangabe orientieren.
Generell lässt sich dies am besten mit einer guten Standpumpe mit Manometer erreichen, denn die meisten besseren Räder haben auch bessere Reifen, die gerne mit bis zu 6 Bar Luftdruck gefahren werden wollen. Dies entspricht ca. 85 PSI (PSI x 0,07 =BAR).
Bei E-Bikes hat der Luftdruck zudem einen sehr großen Einfluss auf die Reichweite des Rades. So bewirkt die Verminderung von einem Bar Luftdruck schon eine Verringerung der Gesamtreichweite von bis zu 30%!
Etwas komplexer wird das Thema Luftdruck bei Mountainbikes oder Rennrädern.
Bei Mountainbikes, die im Gelände gefahren werden, wird mit geringerem Luftdruck gefahren, da die Reifen sonst zu sehr über Hindernisse springen und somit mehr Energie kosten und zusätzlich für weniger Traktion sorgen. Hier spielt die Fahrweise, der Untergrund, das Reifenformat und natürlich das Körpergewicht des Fahrers/Fahrerin eine Rolle, so dass sich hier keine pauschalen Empfehlungen geben lassen. Bei einem 29er MTB liegt der Wert auf jeden Fall unter 3 Bar. Der Reifen „kriecht“ dann über Hindernisse und stößt nicht dagegen, so dass der Rollwiderstand im Gelände sinkt. Dieses Phänomen ist besonders bei Fat-Bikes zu erkennen. Diese haben 26″ x 4,4″ Zoll Bereifung, die mit nur 0,5-0,8 bar gefahren werden, und rollen ganz fantastisch im Gelände. Das gleiche gilt für Crosser (z.B. 37-622). Hier sollte je nach Streckenprofil und Fahrergewicht der Luftdruck bei 2,5-4 Bar liegen.
Bei Rennrädern wird grundsätzlich ein höherer Luftdruck gefahren, aber die Gleichung – je mehr Luftdruck, desto besser der Rollwiderstand – gilt nur auf der Bahn. Schon auf einer Straße mit rauhem Asphalt geht diese Gleichung nicht mehr auf. Ein zu harter Reifen, z.B. mit 8-9 Bar rollt nicht mehr so gut ab, springt in Kurven und bringt Unruhe ins Rad. Auch die Meinung, dass dünne Reifen leichter Rollen als dickere, gehört der Vergangenheit an.
Bei einer Bereifung 23-622 oder 25-622 sind 7-8 Bar, je nach Körpergewicht, absolut ausreichend. Bei 28-622 Bereifung können auch nur 5-6 Bar gefahren werden, mit einem deutlichen Komfortgewinn und ohne spürbare Einbussen beim Rollwiderstand. Hier merkt man sogar, dass der Reifen mit 5-6 Bar auf schlechten Wirtschaftswegen besser rollt als ein härterer schmaler Rennreifen.
Es lohnt sich auf jeden Fall, einmal selber bei seinem Rad mit dem Luftdruck zu experimentieren. Wer immer schon mit 8 Bar gefahren ist, wird sich wundern, dass er mit 2-3 Bar weniger in den Pneus, nicht nur komfortabler sondern wahrscheinlich auch schneller auf seiner Heimrunde unterwegs ist. Im Vorderrad etwas weniger Druck (0,5-1 Bar) als im Hinterrad zu fahren ist auch sinnvoll, da die Gewichtsverteilung auf dem Vorderrad geringer ist.
Besonders beim Gravelbike ist ein zu hoher Luftdruck sehr störend und spürbar langsamer. Während bei mehr als 3 Bar alle Wurzeln und Schlaglöcher in die Arme und den Rücken schlagen, fühlt sich das Ganze bei 2-2,7 Bar (je nach Körpergewicht) schon viel „flowiger“ und auf Schotter(Gravel) oder Waldboden auch schneller an.
Probiert es aus – es kostet nichts, außer etwas Zeit und die Überwindung, alt eingefahrene Meinungen und Dogmen über Bord zu werfen…
Viel Spaß dabei wünscht
Thorsten Güth